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Aussehen, Charakter, Persönlichkeit - geerbt oder selbst entwickelt?  

“Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm” oder “wie der Vater so der Sohn”, weiß der Volksmund. Tatsächlich gibt es, was das Aussehen, den Charakter, die Verhaltensweisen, die Talente oder die Vorlieben betrifft, oft viele Gemeinsamkeiten zwischen Eltern und ihren Kindern.

Manchmal scheint ein Kind auch Anlagen von anderen Verwandten und Vorfahren mit auf den Weg bekommen zu haben, etwa von den Großeltern, Onkeln oder Tanten.

 

 

An diesem Punkt stellt sich aber die Frage, wie viel der Nachwuchs tatsächlich erbt.

Wie viel dessen, was einen Menschen ausmacht, geht auf Erbanlangen zurück - und wie viel ist das Ergebnis von Lernprozessen, Erfahrungswerten und individueller Entwicklung?:

 

Chromosome als Träger der Erbinformationen

Bereist in der Antike stellten Natur- wie Geisteswissenschaftler fest, dass Kinder ihren Eltern oft ähnlich sahen. Das Wissen darüber, warum und in welcher Form Erbanlagen an den Nachwuchs weitergegeben werden, sollte aber erst viele Jahrhunderte später vorhanden sein. Den Grundstein für die Vererbungslehre legte der Augustinermönch Gregor Johann Mendel.

Bei seinen Kreuzungsexperimenten mit Erbsenpflanzen fiel ihm auf, dass die Vererbung von Merkmalen an die Folgegenerationen auf bestimmten Gesetzmäßigkeiten und Regeln beruhte. Das war im Jahre 1865. Noch einmal ein halbes Jahrhundert später stand fest, dass die Weitergabe von Merkmalen darauf beruht, dass männliche und weibliche Keimzellen miteinander verschmelzen.

Die sogenannten Chromosomen wurden als die Träger identifiziert, auf denen die Erbinformationen gespeichert sind. 1953 bestimmten James Watson und Francis Crick schließlich die DNS-Struktur der Chromosomen. Demnach besteht ein Chromosom aus einem langen DNS-Faden, der als fein verdrillte Doppelhelix im Zellkern angeordnet ist.

Inzwischen ist klar, dass sowohl die Mutter als auch der Vater jeweils 23 Chromosomen an ihr Kind weitergeben. Auf diesen Chromosomen wiederum liegen rund 25.000 Gene. Diese Gene steuern nicht nur sämtliche Stoffwechselvorgänge im Körper, sondern bestimmen maßgeblich darüber, wie ein Mensch aussieht. 

 

Die Funktion der Gene

Nachdem die Struktur des Erbguts aufgeschlüsselt war, legte die Wissenschaft ihr Augenmerk auf die Gene. Die Genforschung verfolgte das Ziel, herauszufinden, welche Aufgaben die jeweiligen Gene haben und welche Aufgaben sie übernehmen. In diesem Zuge wurde unter anderem festgestellt, dass das Erbgut ein ursächlicher Auslöser für Krankheiten sein kann.

Heute sind rund 4.000 verschiedene Erbkrankheiten bekannt, wobei ein Großteil von ihnen nur sehr selten auftritt. Zu den bekanntesten Erbkrankheiten gehören Krankheitsbilder wie Krebs, Diabetes oder die Trisomie 21. Da ein Kind von beiden Elternteilen je 23 Chromosomen erbt und damit alle Erbinformationen in doppelter Ausführung vorhanden sind, muss ein defektes Gen aber nicht zwangsläufig dazu führen, dass die Erbkrankheit tatsächlich auftritt.

Teilweise erbt ein Kind nur die Veranlagung für eine Erbkrankheit. In diesem Fall steigt zwar die Wahrscheinlichkeit, dass bei dem Kind dieselbe Erkrankung auftritt wie bei seinen Vorfahren. Dazu muss es aber nicht kommen. Außerdem kennt die Forschung Erbkrankheiten, die eine Generation überspringen. So kann ein Kind ein defektes Gen erben und Träger einer Erbkrankheit sein. Das Risiko, das die Krankheit ausbricht, betrifft aber erst die nächste Generation, also die Kinder des Kindes.

Durch Gentests lässt sich heute ermitteln, wie hoch das Risiko für eine Erbkrankheit ist. Dadurch kann schon sehr früh eine medizinische Behandlung eingeleitet werden. Auf der anderen Seite steigt damit aber auch die Versuchung, das Erbgut zu manipulieren. Die Möglichkeiten hierzu sind in der Gentechnik vorhanden. So ist beispielsweise die Pränatal-Diagnostik heute Standard. Bereits in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft wird das Fruchtwasser untersucht, um mögliche genetische Defekte und Anomalien bei den Chromosomen zu ermitteln.

Vor allem älteren Eltern werden solche Untersuchungen ans Herz gelegt, denn mit zunehmendem Alter steigt die Gefahr, dass Gendefekte vererbt werden. Ob den Eltern aber tatsächlich damit geholfen ist, wenn sie wissen, dass ihr Kind aller Voraussicht nach krank sein wird, und sie entscheiden müssen, ob sie das Kind bekommen möchten oder nicht, wird sehr kontrovers diskutiert. Gleiches gilt für die Präimplantations-Diagnostik. Hier wird, beispielsweise im Rahmen einer künstlichen Befruchtung, die befruchtete Eizelle auf genetische Defekte untersucht, noch bevor sie der Frau eingesetzt wird. Befürworter dieser Diagnostik nennen als Hauptargument, dass so gewährleistet werden kann, dass nur gesunde Embryonen eingesetzt werden.

Dadurch steigen die Chancen auf eine erfolgreiche Schwangerschaft ebenfalls. Kritiker hingegen führen an, dass die Eizelle nicht nur auf Defekte, sondern auch auf andere Merkmale wie Geschlecht oder Haar- und Augenfarbe getestet werden könnte. Dies wiederum könnte dazu verleiten, Wunschkinder zu kreieren, zumal sich die Frage stellt, wer darüber entscheidet, welche Eizelle eingesetzt wird. Die Diskussionen zeigen, dass es sehr schwer zu sein scheint, die medizinische und gentechnische Machbarkeit mit Ethik und Moral unter einen Hut zu bringen.     

 

Aussehen, Charakter, Persönlichkeit - geerbt oder selbst entwickelt?

Die Forschung konnte inzwischen sehr vielen Genen ihre Funktionen beim Stoffwechsel zuweisen. Außerdem ist mittlerweile bei zahlreichen Genen bekannt, welche Rolle sie mit Blick auf das Aussehen und den Körperbau spielen. Wenn es um die Persönlichkeit und den Charakter geht, steht die Genforschung aber fast noch am Anfang. Es gibt Anzeichen, die wohl darauf hinweisen, dass die Gene auch den groben Rahmen für die Persönlichkeitsentwicklung vorgeben.

Allerdings scheinen sie tatsächlich nur eine Art grundlegendes Fundament zu schaffen. Wie sich ein Mensch innerhalb dieses Rahmens tatsächlich entwickelt, wird durch äußere Faktoren wie dem sozialen Umfeld, der Erziehung, den vermittelten Werten, der Bildung und den eigenen Erfahrungen bestimmt. So kann ein Kind beispielsweise Ängstlichkeit, ein lebhaftes Temperament, Aggressivität, Sportlichkeit oder auch musikalisches Talent in einem bestimmten Ausmaß von seinen Eltern geerbt haben.

Ob und wie deutlich solche Eigenschaften zum Tragen kommen, hängt dann aber davon ab, wo und wie das Kind aufwächst und welche Erfahrungen es auf seinem Lebensweg sammelt. Für die Theorie, dass die Entwicklung der Persönlichkeit und des Charakters das Ergebnis vom Zusammenspiel zwischen Lernprozessen, Erfahrungswerten und genetischen Anlagen ist, sprechen Untersuchungsergebnisse von eineiigen Zwillingen. Eineiige Zwillinge sind genetisch absolut identisch ausgestattet.

Selbst wenn eineiige Zwillinge getrennt voneinander aufgewachsen sind, in völlig verschiedenen Umfeldern groß wurden und damit gänzlich unterschiedlichen äußeren Einflüssen ausgesetzt waren, sind ihre Persönlichkeiten, ihre Charaktereigenschaften und ihre Vorlieben oft erstaunlich ähnlich ausgeprägt.

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